„Textilien sind kein Abfall“

Der Gesamtverband textil+mode plädiert dafür, das System der Alttextilien-Verwertung in Deutschland zukunftsfähig aufstellen.

29.10.2024

„Wenn wir in der Kreislaufwirtschaft und insbesondere in der Nachhaltigkeit tatsächlich weiterkommen wollen, ist es jetzt Zeit umzusteuern,“ sagt Jonas Stracke, Leitung Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz beim Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. Wir haben mit ihm über das Thema Erweiterte Herstellerverantwortung, die neuen Vorschriften daraus für die deutsche Textil- und Modeindustrie und Vorschläge des Verbandes für ein Rücknahmesystem für Textilien gesprochen

 

textil+mode: Die EU plant, dass Hersteller von Textilien für die Verwertung und Entsorgung ihrer Produkte verantwortlich sind und möglicherweise auch Gebühren zahlen müssen. Dies ist Teil der sogenannten Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), die in Deutschland bereits für verschiedene Branchen gilt. Was bedeuten die neuen Vorschriften für die deutsche Textil- und Modeindustrie?

Jonas Stracke: Noch sind die gesetzlichen Vorgaben in Brüssel in der Schlussberatung und dann müssen diese ja noch in ein nationales Gesetz gegossen werden. Fest steht: Die erweiterte Herstellerverantwortung (Anmerkung der Redaktion: Extended Producer Responsibility, EPR) nimmt Hersteller und Importeure von Produkten im europäischen Raum in die Verantwortung für die Rücknahme, den Transport sowie die Entsorgung oder Wiederaufbereitung. In der EU wird die EPR-Methodik bereits in verschiedenen Branchen wie Elektrogeräten, Batterien und Verpackungen angewendet. Aktuell wird der Anwendungsbereich auf Textilien wie Bekleidung, Schuhe, Heimtextilien, inklusive Matratzen vorbereitet. Uns geht es darum, dass eine schlanke, transparente, ressourcenschonende und effektive Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben herauskommt. 

textil+mode: Was heißt das konkret?

Jonas Stracke: Wenn es dem Gesetzgeber beim Thema Alttextilien wirklich um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft geht, muss sich die Ausgestaltung an den Grundsätzen von Praktikabilität und Kosteneffizienz orientieren. Teure und ineffektive Bürokratiemonster, die an den Markterfordernissen und den Möglichkeiten der Unternehmen vollständig vorbeigehen, haben wir genug. Daher müssen die Hersteller in den politischen Prozess von Anfang an eng eingebunden und an der Ausgestaltung eines Rücknahmesystems intensiv beteiligt werden.

textil+mode: Sie haben dafür in einem Positionspapier detaillierte Vorschläge gemacht. Wie ist die bisherige Resonanz?

Jonas Stracke: Das Interesse ist sehr groß. Wir haben ja nicht nur unser Positionspapier in die Diskussion eingebracht. Wir haben auch gemeinsam mit Partnern aus der Textilforschung und vom Rücknahmesystem für Batterien ein Pilotprojekt für ein neues smartes textiles Rücknahmesystem auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Erfahrungen aus dem Rückgabesystem für Batterien zu nutzen, um ein Rücknahmesystem zu entwickeln, das auf mittelständische Textil- und Modehersteller zugeschnitten ist. 

textil+mode: Als Verbraucher haben wir uns alle an die Altkleidercontainer gewöhnt, wenn wir Textilien entsorgen wollen, die wir nicht mehr anziehen. Es ist allgemein bekannt, dass Vieles davon wahllos Richtung Afrika verschifft wird oder gar nicht mehr zu gebrauchen ist. Was soll sich hier ändern?

Jonas Stracke: Deutschland hat zwar ein großes Netz an Altkleidercontainern, die von der deutschen Abfallwirtschaft betrieben werden. Aus Sicht der deutschen Textil- und Modeindustrie muss dieses System aber dringend weiterentwickelt werden. Auch bei der Organisation von EPR-Systemen und Registern muss der Gesetzgeber künftig die Herstellerindustrie von Anfang an beteiligen. Wir müssen mehr darüber wissen, was in den Containern landet und was damit passiert. Textilien sind nämlich per se kein Abfall, sondern am Ende ihres Lebens im besten Fall der Anfang einer neuen Faser. In diesem Sinne wollen wir die Erweiterte Herstellerverantwortung neu denken und das System der Alttextilien-Verwertung in Deutschland zukunftsfähig aufstellen. Am Ende vielleicht nur Gebühren zu zahlen und nicht zu wissen, was mit den Altkleidern passiert, ist weder im Sinne der Hersteller, noch der Kunden, noch nachhaltig.

textil+mode: Wir danken Ihnen für das Gespräch.